Felix Ermacora war der wichtigste Pionier der Menschenrechte in Österreich. 1923 in Klagenfurt geboren, war er schon 1948 als Student in Paris bei der Verabschiedung der Universellen Erklärung der Menschenrechte anwesend. 1957 wurde er zum Professor für Staatswissenschaft in Innsbruck ernannt, und 1964 zum o. Univ.Prof. für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien. Ab 1958 war er bis zu seinem Tod 1995 längst dienendes Mitglied der Europäischen Menschenrechtskommission des Europarats und prägte die Rechtsprechung zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Besondere Verdienste erwarb er sich nicht nur bei der Untersuchung der systematischen Menschenrechtsverletzungen der griechischen Militärdiktatur. Ab 1958 leitete er auch die österreichische Delegation zur UN-Menschenrechtskommission und war 1974 deren Vorsitzender. Von 1967 bis zum Ende der Apartheid war er Mitglied einer UNO-Untersuchungskommission über Menschenrechtsverletzungen in Südafrika, ab 1975 zu Chile, und von 1984 bis zu seinem Tod UNO-Sonderberichterstatter über Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan. Von 1971 bis 1990 war Ermacora auch Abgeordneter zum Österreichischen Nationalrat. Er verfasste ein Handbuch der Grundfreiheiten und Menschenrechte, zahlreiche Publikationen zu Menschen- und Minderheitenrechten in den Vereinten Nationen und im Europarat, zur Allgemeinen Staatslehre und Österreichischen Verfassungslehre sowie das dreibändige, auch in die Zukunft blickende monumentale Werk „Menschenrechte in der sich wandelnden Welt“ (Historische Entwicklung, Verwirklichung der Menschenrechte in Afrika und im Nahen Osten, Amerika).
Seine Lehrveranstaltungen waren faszinierend, weil sie über das rein Rechtliche hinausgingen, sich mit den auf der Philosophie der Aufklärung beruhenden Grundlagen der Menschenrechte genauso befassten wie mit rechtspolitischen Herausforderungen ihrer Durchsetzung. Legendär die interdisziplinären menschenrechtlich-philosophischen Seminare im kontemplativen Stift Zwettl/NÖ.
Manfred Nowak und Hannes Tretter lernten einander als Assistenten von Felix Ermacora kennen und schätzen. Felix Ermacora hat uns nicht nur wissenschaftlich befruchtet, sondern auch große Freiräume in Forschung und Lehre eröffnet. Was letztlich auch dazu führte, dass wir 1992 gemeinsam das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) in Wien gründeten, das dank des großen Einsatzes von Manfred Nowak, unterstützt von Hannes Tretter, dafür sorgte, dass 1993 anlässlich der Weltmenschenrechtskonferenz in Wien eine NGO-Parallelkonferenz im Austria Center tagte, an der mehr als 3.000 Vertreter:innen von 1.500 NGOs weltweit teilnahmen. Der dabei geführte Dialog zwischen den beiden Konferenzen trug wesentlich zum Erfolg der UN-Weltmenschenrechtskonferenz bei.
Leider war es Felix Ermacora, der 1995 nach seinem letzten Einsatz als UNO-Sonderberichterstatter in Afghanistan starb, nicht mehr vergönnt, an der weiteren Erfolgsgeschichte des BIM teilzuhaben. Wir gedenken ihm heute als einem Doyen der Menschenrechte, für deren weltweite Gewährleistung er sich Zeit seines Lebens eingesetzt hat.
Manfred Nowak und Hannes Tretter im Namen des Wiener Forums für Demokratie und Menschenrechte